Commentary
Ein Aufruf zur Veränderung der Kampagne auf den Färöern
Montag, 20 Jan, 2025
Der Schutz von Walen und Delfinen war schon immer das Herzstück der Mission von Sea Shepherd. Es ist mehr als nur eine Sache - es ist eine Verantwortung, die tiefes Nachdenken, Demut und die Bereitschaft erfordert, sich den Umständen und der Zeit anzupassen. Die Färöer Inseln nehmen in dieser Arbeit einen einzigartigen Platz ein, wo Tradition auf Wandel trifft und globales Engagement sich mit lokalen Realitäten überschneidet. Während wir uns weiterhin für ein Ende des färöischen Walfangs einsetzen, ist es wichtig, sowohl die Fortschritte als auch die Fehler der Vergangenheit anzuerkennen und gleichzeitig eine Zukunft aufzubauen, die auf einer effektiven Zusammenarbeit beruht.
Kommentar von Valentina Crast, Leiterin der Färöer-Kampagne
Sich wandelnde Taktiken: Das Ende von „Wir gegen sie“
Die Zeiten aggressiver Konfrontationen und spaltender „Wir gegen sie“-Narrative sind längst vorbei. Falls solche Taktiken jemals wirklich funktioniert haben, hat ihre Wirksamkeit bereits vor Jahrzehnten nachgelassen. Vielleicht wurde diese Erkenntnis in der öffentlichen Debatte um Sea Shepherd und die Färöer-Inseln nicht ausreichend reflektiert. Intern jedoch beschäftigen wir uns seit vielen Jahren damit und haben unsere Arbeit entsprechend angepasst.
Es ist an der Zeit, diese Überlegungen und Veränderungen offen anzusprechen und den Weg für sinnvollen, effektiven Aktivismus für die Wale und Delfine auf den Färöer-Inseln zu ebnen. Dieser Aktivismus muss auf den Färöer-Inseln verwurzelt sein, von färöischen Aktivist:innen angeführt und von der weltweiten Meeresschutzgemeinschaft unterstützt werden. Es gibt keinen anderen Weg—es muss eine gemeinsame Anstrengung sein.
Historisch gesehen ist das Grindadráp—die traditionelle färöische Praxis, Grindwale und andere Wale in flache Gewässer zu treiben und zu töten—tief in der lokalen Kultur verankert. Doch gesellschaftliche Werte verändern sich, und diese Praxis wird zunehmend hinterfragt, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Färöer-Inseln. Heute bieten das wachsende globale Umweltbewusstsein und die sich wandelnden Perspektiven innerhalb der färöischen Gesellschaft eine Chance, diese langjährige Tradition infrage zu stellen und zu verändern. Es ist an der Zeit, den Fokus von internationalem Protest auf eine laute, lokale Forderung nach Veränderung zu verlagern. Es ist entscheidend zu erkennen, dass ein Wandel dieser Größenordnung einen differenzierten und inklusiven Ansatz erfordert.
Das Grindadráp: Kultureller Kontext und rechtliche Realität
So grausam und brutal es auch ist—die Legalität des Grindadráp ist eine Tatsache. Anstatt wertvolle Zeit und Energie darauf zu verschwenden, dies zu bestreiten, muss der Fokus darauf liegen, die färöischen Gesetze zu ändern und die färöische Gemeinschaft dazu zu bewegen, sich internationalen Abkommen zum Schutz von Walen und Delfinen anzuschließen.
Statt Feindseligkeit zu schüren, sollte unsere Rolle als Meeresschützer:innen und Aktivist:innen darin bestehen, lokale Stimmen zu unterstützen und zu stärken. Der Wandel wird am effektivsten von Färöer:innen selbst vorangetrieben, die sich für ein Ende des Grindadráp einsetzen. Internationale Bemühungen werden weiterhin wichtige Ressourcen bereitstellen, Botschaften verstärken und weltweite Solidarität aufbauen, doch sie können die essenzielle Führungsrolle derjenigen, die in der Gemeinschaft verwurzelt sind, nicht ersetzen.
Das Grindadráp existiert nicht isoliert. Es ist eingebettet in einen breiteren Kontext aus kultureller Identität, vergangenen Erfahrungen und Begegnungen zwischen Walfänger:innen und Aktivist:innen, lauter internationaler Kritik und deren Auswirkungen auf die Wahrnehmung in der färöischen Gesellschaft. Effektiver Aktivismus muss diese komplexen Zusammenhänge berücksichtigen. Durch eine zu starke Vereinfachung oder die Darstellung als Kampf zwischen äußeren Kräften und lokalen Traditionen haben vergangene Kampagnen unbeabsichtigt dazu beigetragen, Widerstand zu verfestigen, anstatt Zusammenarbeit zu fördern. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist eine enge Partnerschaft unerlässlich.
Lokale Führung fördern & globale Partnerschaften stärken
Lokales Engagement ist kein passiver Prozess; es erfordert Zuhören, Lernen und Anpassung. Seit Jahren arbeiten wir daran, Beziehungen zu färöischen Bewohner:innen aufzubauen, die sich gegen das Grindadráp aussprechen. Nun müssen wir Wege finden, ein Umfeld zu schaffen, in dem diese Menschen den Mut haben, sich öffentlich zu äußern—trotz der Herausforderungen eng vernetzter Gemeinschaften und feindseliger globaler Botschaften.
Internationale Bemühungen können Aufmerksamkeit erzeugen und die öffentliche Meinung mobilisieren, aber sie dürfen lokale Stimmen nicht überlagern. Unsere früheren Konfrontationen haben oft genau diejenigen entfremdet, die für echten Wandel entscheidend sind. Das Grindadráp wird nicht durch Wut oder Schuldzuweisungen beendet, sondern durch eine gemeinsame Vision sowie die Beteiligung und Führung von Färöer:innen selbst. Es sind ihre Stimmen, ihr Mut und ihre Vision, die letztendlich Veränderung herbeiführen werden.
Indem wir einen inklusiven und unterstützenden Raum schaffen, in dem sich lokale Stimmen sicher fühlen, sich direkt und ehrlich zu äußern, machen wir einen entscheidenden Schritt hin zu einer nachhaltigen Bewegung für Veränderung.
Unser Engagement neu definieren
Sea Shepherd war äußerst effektiv darin, internationale Aufmerksamkeit und weltweite Empörung über das Grindadráp zu erzeugen. Doch wir müssen anerkennen, dass es uns nicht gelungen ist, lokales Engagement in dem notwendigen Maß zu fördern. Diese Lücke arbeiten wir aktiv daran zu schließen—es ist für uns zu einer obersten Priorität geworden.
Das Engagement von Sea Shepherd für diese Vision spiegelt ein wachsendes Verständnis unseres Aktivismus auf den Färöer-Inseln wider. Wir haben aus Fehlern gelernt und übernehmen die Verantwortung für unser Wachstum. Die diesjährige Kampagne markiert ein neues Kapitel—ein Kapitel des Brückenbauens, des Vertrauensaufbaus und der Stärkung lokaler Stimmen. Es ist eine Kampagne, die die Verflechtung globaler und lokaler Bemühungen, die Komplexität kulturellen Wandels und die gemeinsame Verantwortung für den Schutz unserer Ozeane anerkennt.
Von Mai bis Oktober werden wir, wie immer, auf die Färöer-Inseln zurückkehren, um die Grausamkeit dieser Praxis ehrlich zu dokumentieren und gleichzeitig den Dialog mit der Gemeinschaft zu suchen. Wir haben feindselige Taktiken längst hinter uns gelassen und konzentrieren uns stattdessen auf konstruktive Zusammenarbeit. Gleichzeitig übernehmen wir die Verantwortung dafür, die Erzählung über die Präsenz von Sea Shepherd auf den Färöer-Inseln zu verändern.
Wenn du Teil der Arbeit zum Schutz der Grindwale und Delfine im Nordatlantik sein möchtest und dich als Teil der Lösung siehst, sende uns eine Nachricht an faroes@seashepherdglobal.org oder fülle das Freiwilligen-Formular aus.
Havið og hvalirnir hava brúk fyri júst tína hjálp, og vit gleða okkum til at geva tær plássið og pallin at vera á odda fyri broytingina
Bannerbild: Ein Sea Shepherd-Freiwilliger mit einem gestrandeten Grindwal in Hvannasund nach dem Grind am 1. Juni 2024.